Seelsorge & Strafvollzug: Zur Praxis heutiger Gefängnisseelsorge

Am 11. Januar 2022 wurde in Zürich notariell der Verlag für Gefängnisseelsorge als GmbH gegründet. Dieses Ereignis in der Schweiz hat eine mehrjährige Vorgeschichte. Mitbegründer sind die Gefängnisseelsorger der Justizvollzugsanstalt Pöschwies, Dr. Frank Stüfen und Christoph Rottler. Als die beiden im Jahr 2011 das Nachdiplomstudium Gefängnisseelsorge an der Universität Bern abschlossen, bekamen sie einen ersten Eindruck davon, wie wenig Literatur zu diesem Thema überhaupt vorhanden ist und wie verstreut und versteckt diese publiziert wird. Christoph Rottler und Frank Stüfen beschlossen deshalb eine zweite Zeitschrift, die sich durch eine stärker akademische Ausrichtung von der deutschen Publikation A nders O rt unterscheidet, zu gründen. So wurde im Mai 2018 die Fachzeitschrift „ Seelsorge & Strafvollzug . Zur Praxis heutiger Gefängnisseelsorge “ ins Leben gerufen.

Im Prozess der Verlagsgründung 2022 ist Dr. Stüfen auf die Seelsorgetätigkeiten der katholischen und evangelischen Kirchen in den Justizvollzugsanstalten Hünfeld und Fulda aufmerksam geworden und lud Diakon Dr. Meins G.S. Coetsier ein, einen Artikel zu verfassen. Im Heft 8 der Zeitschrift Seelsorge & Strafvollzug finden sich aktuelle Themen von verschiedenen Autoren: über die Frage des assistierten Suizids in Strafanstalten in Deutschland; Regelung des assistierten Suizids in der Justizvollzugsverordnung des Kantons Solothurn; österreichische Gefängnisseelsorge; Restorative Justice Methodik in Untersuchungshaft; und ein Artikel zum Ansatz einer Theologie der Gefängnisseelsorge von Diakon Coetsier. In diesem Artikel erklärt der Seelsorger wie er und seine Kollegen Pfarrer Dr. Andreas Leipold, Pfarrer Franz Hilfenhaus, der Internationale Gideonbund und die Ehrenamtlichen des Gefängnismusik-Projekts „Divine Concern“ (Göttliche Betroffenheit) hinter Gittern arbeiten und warum es so wichtig ist, die Menschen zu stärken und zu ermutigen. Der Anfang seines Artikels lautet:


Individualität und Spiritualität stärken


Seit langem war es mein lebhafter Wunsch einmal, so wie Johnny Cash mit seinem Live-Auftritt im Folson Prison, in einem Gefängnis Musik zu machen, um Menschen hinter Gitterfenstern mit einem «Sound der Stärke» – einem ‚Divine Rock ‘n’ Roll‘ – zu ermutigen. Dass ich aber als Gefängnisseelsorger der ‹Knastkirche› die Gelegenheit bekommen würde, das hatte ich erstmal nicht für möglich gehalten. Der Sinn einer derartigen musikalischen und künstlerischen Ermutigung im Gefängnis liegt für mich, kurz gesagt, in einem tiefen Gefühl für den Menschen, für seine Ästhetik und für die Begegnung der Vielfalt der (Sub-) Kulturen, Religionen und Weltanschauungen. Diese Palette und farbige Bewegtheit des menschlichen Daseins ist vor allem in einer Justizvollzugsanstalt heute eine unausweichliche, spürbare und dynamische Realität geworden. Der Aufsatz bezieht sich in großen Teilen auf meine Promotionsschrift «Towards a Theology of Prison Ministry» (Ansatz einer Theologie der Gefängnisseelsorge).


Der Grundsatz, den wir als ökumenisches Seelsorgeteam gemeinsam für die Aktivitäten in den Justizvollzugsanstalten Hünfeld und Fulda (Hessen, Deutschland) formuliert haben, lautet: Durch die Begegnung das wahrhafte, kreative und respektvolle Miteinander stärken. Vieles bleibt in der Gefängnisseelsorge und vor allem im Gefängnisalltag irgendwie unzureichend. Die neuen Maßstäbe und theologischen Folgerungen, die sich für uns daraus ergeben haben, sind: echte Begegnungen zwischen Menschen zu fördern, sowohl in Gottesdiensten, in Einzelgesprächen als auch in kreativer Gruppenarbeit, und dies zu pflegen mit einer zeitgemäßen «Theologie der Stärkung» (Theology of Empowerment). Das heißt: wir suchen im kontemplativen und diakonischen Sinne die echten und tief spirituellen Begegnungen im Zwischenmenschlichen, mit Hilfe von Musik, Kunst, Literatur und Kultur, um so die Menschen in ihrer Würde, Individualität und Spiritualität zu stärken. Eine besondere Rolle in dieser Art von «energetischer Seelsorge» spielt die gegenseitige Bereicherung – ‹die Ratschläge des Herzens› – in der ökumenischen Zusammenarbeit.


Lesen Sie hier weiter: https://www.seelsorgeundstrafvollzug.ch/_downloads/Seelsorge_Strafvollzug_Heft_Nr_08.pdf

Meins G.S. Coetsier, "Theologie der Stärkung, Zeitgemäße Theologie der Gefängnisseelsorge," in: Seelsorge & Strafvollzug. Zur Praxis heutiger Gefängnisseelsorge , Heft 8, Verlag für Gefängnisseelsorge: Zürich (2022): 40–54. [PDF Seite 20 = Journal Seite 40]

Text und Bilder: Diakon Dr. Meins Coetsier


Hier vor kurzem im Kirchenraum der JVA Fulda. Der ehrenamtliche Musiker der JVA Fulda und JVA Hünfeld, Tilo Zschorn der die Gefangenen begleitet, ermutigt und ihnen die Geheimnisse des Gitarrenspielens beibringt.

Siehe das Musikprojekt "Divine Concern" auf YouTube: https://www.youtube.com/channel/UCPCWtFb_EszMXCMJuSZ6d1Q/videos

DIVINE CONCERN ♪ MUSIC ♪ SPIRITUAL ART - YouTube Welcome to our YouTube channel! DIVINE CONCERN is a Prison Music Project of Deacon Dr. Meins G.S. Coetsier (Vocals and Guitar), Mr. Addi Haas (Piano | Accordion | Drums | Percussion), and Mr. Tilo ... www.youtube.com