Impuls - Juni 2025

Pfarrer Winfried Vogel

Unterwegs - Aufbruch ins Leben

Auch wir sind zurzeit unterwegs z.B. auf Bittprozessionen und Wallfahrten - Vierzehnheiligen, Bonifatius, Walldürn. Bedeutet das für uns schon Aufbruch ins Leben?

 

Was hat uns bewegt, uns aufzumachen zu einem Ziel, das doch mit großen Anstrengungen und Strapazen verbunden ist?

 

 

Ich denke wir tun das, was im Menschen tief verwurzelt ist. Der Mensch ist immer in irgendeiner Art und Weise unterwegs. Oft bewusst, aber meistens unbewusst. Wir hetzen von einem Punkt zum anderen und wenn uns jemand nach unserem Ziel fragt, dann müssen wir schon einmal innehalten und überlegen: Ja, wo will ich denn eigentlich hin?

 

Ist es denn lohnenswert, das eine oder andere Ziel anzusteuern und zu erreichen?

 

Oft lassen wir uns von der Masse mitreißen. Ein Blick in unsere überfüllten Städte und Straßen macht uns das deutlich und anschaulich. Menschen rennen von einem Ort zum anderen und wenn man sie nach dem Ziel fragt, dann müssen viele überlegen: Ja, wo will ich denn eigentlich hin?

 

Ist dieses Unterwegssein schon ein Aufbruch ins Leben?

 

Eines ist wichtig zu nennen, das Unterwegssein, ob bewusst oder unbewusst, liegt in der Natur des Menschen. Das Unterwegssein ist so alt wie die Menschheit selbst. Das lehrt uns die Geschichte. Immer und zu allen Zeiten waren und sind Menschen unterwegs. Das Unterwegssein ist für uns Menschen lebensnotwendig. Da ist einmal die Neugierde, die uns drängt aufzubrechen, um Unbekanntes kennenzulernen. Wäre diese Neugierde nicht vorhanden, dann gäbe es weder Entdecker noch Erfinder. Der Drang nach dem Unbekannten hat Menschen zu allen Zeiten bewogen aufzubrechen, um das Unbekannte bekannt zu machen.

 

Ein weiterer Drang im Menschen sich aufzumachen, ist die Sehnsucht im Inneren. Die Sehnsucht ist biblisch belegt. Der Mensch sehnt sich nach etwas, was er einmal gefühlt, geahnt hat. Diese Sehnsucht ist sehr tief in seinem Innern verborgen. Deutlich wird sie, wenn wir Menschen uns eine Welt ersehnen, die von Krieg und Gewalt frei ist, in der Liebe, Freiheit und Friede herrschen. Eine paradiesische Welt, wie sie der Prophet Jesaja schaute. Trotz großer Niederschläge, trotz großer Enttäuschungen, die Menschen zu allen Zeiten erlebt haben. Diese Sehnsucht lebt weiter im Menschen fort und treibt ihn um, dieses Paradies zu suchen, sich dieses Paradies schon hier auf dieser Welt zu schaffen.

 

Ich denke, dieser Aufbruch, dieses Unterwegssein hat etwas mit Leben zu tun.

 

Unterwegssein – Aufbruch zum Leben.

 

Es ist eine Tatsache, wer sich aufmacht, der erfährt immer mehr, dass nur im Unterwegssein das Leben zu finden ist. Er unterliegt einem Gesetz, das ihn dann auch nicht mehr zur Ruhe kommen lässt. Ich meine „zur Ruhe kommen lässt“ positiv. Ein Mensch, der unterwegs ist, gibt sich nicht mehr mit dem zufrieden, was da ist – er sucht.

 

Nur im Unterwegssein kann ich Neues kennenlernen - Freunde, Weisheiten, Schönheiten. Besonders erfreulich und erhebend ist es, wenn ich mit mehreren Gleichgesinnten unterwegs bin. Wenn ich spüre, der andere denkt und fühlt wie ich. Er hegt in sich die gleiche Sehnsucht, er steuert das gleiche Ziel an.

 

Das gemeinsame Unterwegssein wird zu einem Erlebnis. Fragen und Probleme werden ausgetauscht. Gemeinsam freut man sich über die Schönheiten am Wegesrand. Doppelte Freude ist erst dort, wo ich meine Freude mit jemandem teile, wenn ich ihn an meinem Leben teilhaben lasse.

Das erfahre ich, wenn ich unterwegs bin. Ein solches Unterwegssein ist -  Aufbruch ins Leben.

 

Selbst Jesus Christus, das menschgewordene Wort Gottes, unterlag diesem Gesetz des Menschseins. An seinem Leben kann ich ablesen, dass für ihn das Unterwegssein das gleiche bedeutete: Unterwegssein – Aufbruch zum Leben.

 

Von Kindesbeinen an erlebte er das Unterwegssein. Manchmal gezwungen und ungewollt, später aber machte er es zu seinem Lebensprinzip. Immer war er unterwegs zu den Menschen. Er ging dorthin, wo die Menschen wohnten, lebten, arbeiteten, feierten und trauerten.

 

In den Schriften wird uns nur von einem unterwegs seienden Christus berichtet. Sein Unterwegssein hatte ein Ziel. Alle Menschen sollten seine Botschaft vom Leben hören und von ihr getragen sein. Für diese Botschaft wollte er den Menschen die Herzen und die Augen öffnen. Für diese Botschaft von der Zuwendung Gottes an den Menschen wollte er die Menschen mobil und beweglich machen.

 

Diese Botschaft sollte die Menschen aus der falschen Sicherheit herausführen und sie neu auf den Weg bringen, der zum wahren Leben führt. Diese Botschaft sollte die alte Sehnsucht im Menschen wachrütteln und sie wieder zum Aufbruch ins Leben motivieren. An Jesus konnten die Menschen ablesen: Ja, es lohnt sich, sich auf den Weg zu machen, um das wahre Leben zu finden.

 

An Jesus kann ich ablesen, dass das Unterwegssein der einzige Aufbruch zum Leben bedeutet. Dass es sich lohnt Bekanntes, Berechenbares, Festgefügtes hinter mir zu lassen und aufzubrechen zu Unbekanntem, Unberechenbarem, Neuem.

 

Das nicht das Sichtbare, der Besitz das Leben allein aus- oder lebenswert macht, sondern die Sehnsucht nach den Gütern, die nicht berechenbar und ein kalkulierbar sind.

 

Ich bin nicht allein, wenn ich zum Aufbruch bereit bin, wenn ich die Sehnsucht wachhalte, mich immer neu auf den Weg zu machen. Gleichgesinnte sind mit mir unterwegs und bestätigen mir: Nur im Gehen erreiche ich ein Ziel.

 

Unterwegs sein heißt - Aufbruch ins Leben!

 

Ihr

Pfr. Winfried Vogel